Debatte seit 9. 3. 2017, geschlossen 8. 4. 2017
Bereich des Konsenses unter den Teilnehmern:
- • Ja, die Archäologie braucht einen Berufsverband, weil das Modell einer Organisation als oder in einer Gewerkschaft mit seiner Polarität von Arbeitgeber und Arbeitsnehmern als alleinige Lösung nicht auf die Archäologie passt.
• Ja, weil ein Berufsverband alle Archäologen gemeinsam bündeln könnte.
• Ja, weil viele Kollegen als Selbständige, in Firmen oder durch Zeitverträge unter sehr schlechten Bedingungen arbeiten: schlechte Bezahlung, schlechte Verträge, Zeitarbeitsverträge. Das Fach muss sich zusammentun, um aus eige-ner Kraft Lösungen für diese drängenden Probleme des Berufslebens von Ar-chäologen zu finden.
• Ja, weil bei vielen Kollegen die Perspektiven für die Zukunft sehr schwierig sind: Oft weit weg umziehen müssen (wg. Problem Kettenverträge; wg. problem Leiharbeit), wegen anhaltender Unsicherheit keine Familiengründung, kein Vermögensaufbau, sondern Altersarmut. Alle kennen die Probleme, doch aus (nachvollziehbarer) Furcht, den nächsten Job, den nächsten Vertrag oder Auftrag nicht zu kriegen, schweigt man individuell. Ein Berufsverband kann diese Probleme für seine Mitglieder debattieren und angehen.
• Vielen Firmen geht es nicht anders: Sie würden gerne besser arbeiten, ihre Mitarbeiter besser bezahlen und ihnen bessere Bedingungen bieten. Nur: ein paar wenige schwarze Schafe, die sich nicht an die Regeln das archäologischen Handwerks halten, machen den Markt mit unseriösen Dumpingangeboten kaputt. Es braucht Regeln und Mindeststandards, die von allen Mitgliedern eingehalten werden, und die die schwarzen Schafe an den Rand drängen.
• Ja, weil es den Wunsch gibt, selbst weiter zu lernen und sich fortzubilden und wiederum Examenskandidaten mit Zusatzangeboten von praxisbezogener Weiterbildungen besser auf den Beruf vorzubereiten. Diese Lücke könnte ein Berufsverband füllen.
• Ja, weil ein Berufsverband ein starke Stütze darin sein könnte, die heimische Archäologie stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken und mehr Akzeptanz zu schaffen für eine Archäologie, die manchmal auch lästig ist und Geld kostet.
• Ja, weil für die Betroffenen die derzeit weithin übliche Praxis von auf wenige Wochen oder Tage befristeten Verträgen, von Löhnen auf Mindestlohnniveau, von Grabungsleitungen als unbezahlte Praktika, von Scheinselbständigkeit, Zeitarbeitsfirmen u. ä. dringend einer Änderung bedarf, einer Änderung, die durch existierende Strukturen bislang nicht erreicht werden konnte.
• Ja, weil ein Berufsverband (alias: berufsständische Selbstvertretung) die Chance bietet, dass die Fachleute selbst im Zuge eines demokratischen Prozesses über die fach-wirtschaftlichen und fach-ethischen Standards und Verhaltensregeln professioneller Arbeit bestimmen und deren Einhaltung garantieren.
• Ja, weil es auch den Bedürfnissen der Amtsarchäologen entspricht und Aussicht auf Erfolg hat. Schließlich gibt es bereits erfolgreiche Modelle solcher selbstgesetzten Qualitätsstandards, z.B. das Gütesiegel für Museen (in Niedersachsen und Bremen).
Thesen, die in den laufenden Themen derzeit kontrovers debattiert werden:
- • Nein, für eine wirkungsvolle Behebung der finanziellen Krise der Archäologie bedarf es eines verbindlicheren Zusammenschlusses als eines Berufsverbands, nämlich einer echten, öffentlich-rechtlich formierten Archäologenkammer. Oder?
• Was genau soll denn ein neuer Berufsverband tun, was die bisherigen Strukturen im Fach nicht schon leisten können? Schließlich gibt es ja den Deutschen Verband für Archäologie (DVA) als gemeinsames Dach aller archäologischen Institutionen und Vereine. Oder?
• Wie sollte sich ein neuer Berufsverband legitimieren? Und schicken wir dann den DVA oder den österreichischen Archäologischen Rat oder die Versammlung der Schweizerischen Kantonsarchäologen als Fürsprecher einer gemeinsamen Archäologie in Rente?
• Hm, es gibt ja bereits Berufsverbände in der Archäologie, wie z.B. den BfK oder den VGFA. Vielleicht wäre es sinnvoll, bei bestehenden Vereinigungen und Verbänden anzuknüpfen und an aufgaben- und branchenspezifische Vertretungen zu denken, anstatt zu versuchen, alle Berufs- und Auf-gabenzweige innerhalb der Archäologie "unter einen Hut" bringen zu wollen. Oder?
• Ein solcher Berufsverband muss mehr umfassen als "nur" die Archäologie, um schlagkräftig zu sein, da die Imageprobleme (Kultur kostet, ohne aktiven Nutzen zu haben; warum braucht es Geisteswissenschaften überhaupt; warum "lernen die nicht was Richtiges?" etc.) alle Geisteswissenschaften betreffen und so für einen reinen Archäologenverband eine zu große Aufgabe darstellen. Oder?
• Es gilt die Kulturhoheit der Länder. Das Durchsetzen von Standards und Qualitätsbewusstsein wird doch nur gemeinsam mit den Landesarchäologien möglich sein, damit diese wiederum auf ihre Ministerialbürokratie einwirken. Also bundesweit koordiniert durch den DVA, aber in jedem der 16 Bundesländer einzeln. Oder?
• Das dreht sich doch nur um die Grabungsfirmen, da könnten Standards im gemeinsamen Interesse nützlich sein. Warum aber sollten sich Landesämter für Bodendenkmalpflege, die Museen oder die Universitäten auf so etwas einlassen?
Für die DGUF: Diane Scherzler, Frank Siegmund
Die vollständige Debatte findet sich dort: https://www.tagungsforum.dguf.de/viewto ... ?f=25&t=46 Sie wurde per 8.4.2017 geschlossen.