Lieber Kollege Schöbel,
bitte nehmen Sie doch Rücksicht darauf, dass auch die in den Verbänden und in ihren Vorständen Tätigen ihre Arbeit ehrenamtlich und größtenteils in der Freizeit unternehmen, weil sie sich für unsere Archäologie einsetzen wollen. ...
Ich nehme Rücksicht darauf und schätze dieses ehrenamtliche Engagement auch im höchsten Maße. Aber genau deshalb meine ich auch - so wie zahlreiche andere hier Mitdiskutierende, die sich dazu schon geäußert haben (siehe die Zusammenfassung hier:
https://www.tagungsforum.dguf.de/viewto ... &t=93#p980), dass ein 'neuer' BV, wie er vielen von uns hier vorzuschweben scheint, tatsächlich hauptamtliche MitarbeiterInnen braucht, nicht nur von Ehrenamtlichen getragen werden kann.
Malen Sie doch nicht dieses schreckliche Bild der unfähigen, wenig orientierten, wenig modernen, wenig effektiven und wahrscheinlich auch in Ihrem Geiste noch ständig im Kreise einer archäologischen Anderwelt drehenden Kollegen an die Wand.
Lieber Kollege Schöbel, unterstellen Sie mir nicht dauernd solche Behauptungen. Ich habe nicht eine einzige dieser Behauptungen gemacht; und ich glaube auch nicht eine einzige davon.
Was ich gemacht habe - zuletzt übrigens (auch) aus Ihren eigenen Darstellungen (aber auch aus meinen eigenen Erfahrungen) abgeleitet - ist einige Tatsachen festzustellen, wie z.B. dass viele unserer KollegInnen, die als archäologische Multifunkitionäre ehrenamtlich auf hunderten Kirchtagen tanzen - und dass es die gibt, wollen Sie hoffentlich nicht ersthaft bestreiten - oft schon allein deshalb nicht zu viel mehr als dem Besuch von Sitzungen von Ausschüssen in denen sie sitzen kommen, weil sie jede Woche ein bis zwei solche Sitzungen haben, und daneben noch ihren normalen Job machen sollen. Das bedeutet nicht, dass sie unfähig, wenig orientiert, wenig modern oder geistig in einer archäologischen Anderswelt wären, sondern nur dass sie furchtbar überarbeitet und daher in Bezug auf die ehrenamtliche Arbeit, die sie für jeden der Vereine, Verbände etc. leisten können, denen sie ihre Zeit opfern, auch wenig effektiv sind; selbst wenn sie enorm effizient arbeiten.
Aber völlig davon abgesehen sind solche völlig haltlosen Vorwürfe, wie Sie sie hier schon wieder erheben, nicht mehr als rethorische Nebelkerzen, die Sie werfen, um vom eigentlichen Punkt abzulenken: ich habe in dieser Diskussion inzwischen zwei Mal, zuletzt mittels Ihrer eigenen Worte, gezeigt, dass der DVA und die anderen 'Altverbände' in der Form, in der sie derzeit bestehen, weder dafür geeignet sind, noch aufgrund struktureller und satzungsimmanenter Gründe überhaupt dazu fähig sein können, das zu leisten, was hier wenigstens einem bedeutenden Anteil der DiskutantInnen, wenn nicht sogar deren überwältigender Mehrheit, als Rolle und Aufgabe des hier ins Auge gefassten 'neuen' BV vorschwebt.
Mir ist schon klar, dass das nicht das ist, was Sie wollen, weil sie beharren ja seit ihrem ersten Beitrag darauf, dass 'es' nur 'gemeinsam mit' den 'bestehenden Verbänden' geht, und zwar auch nur genau in der Form und genau auf dem Weg, wie diese bestehenden Verbände das 'wollen'. Also per Antrag an den Vorstand eines der '13 Verbände', dessen Vorstand dann seinerseits einen Antrag an den Vorstand des DAV richten soll, der dann vielleicht einen Fachausschuss einrichtet, in dem dann die Leute drinnen sitzen und das Sagen haben, die dem erweiterten Vorstand des DAV angehören, die dann unverbindliche Empfehlungen entwickeln, was man denn wie tun könnte. Weil der, der die Kontrolle über diesen ganzen Prozess hat, der die Agenda setzen und sich wenn notwendig auch auf das 'demokratische Mandat' durch Vorstandsbeschlüsse des DAV berufen kann, das seine Meinungen und Wünsche unterstützt und die allfällig beteiligter Dritter negiert - wenn diese Dritten denn überhaupt zu diesem hehren Kreis zugelassen sind - hat selbstverständlich alle Macht in dem gesamten Prozess; und kann ihn und seine Ergebnisse nach seinen Vorstellungen gestalten.
Vereinfacht gesagt ist das genau das, was ich meine, wenn ich sage, dass die bestehenden Machtstrukturen und MachthaberInnen durchaus motiviert sein können, jeden Versuch eine andere, von ihnen unabhängige alternative 'Machtsstruktur' aufzubauen, die sich der innerfachlichen Qualitätssicherung annehmen kann, zu unterlaufen. Die effektivste Methode, das zu erreichen, ist selbstverständlich, darauf zu beharren, dass der Prozess der Entwicklung eines 'neuen' BVs bei den bestehenden Machtstrukturen angesiedelt werden, nach den Regeln der bestehenden Machtstrukturen und unter der Kontrolle der bestehenden Machstrukturen entwickelt und von Anfang an in diese so total integriert werden muss, dass die 'neue' Struktur eben nicht unabhängig von den bestehenden Machtstrukturen sein kann; und daher auch weder Zähne haben noch gescheit Bellen kann, ohne vorher die, die gebissen oder verbellt werden sollen, um Erlaubnis dafür gefragt zu haben, die die natürlich nie erteilen werden. Damit bleibt schön alles beim Alten, und die 'Revolution' (die eigentlich gar keine sein soll) ist jedenfalls abgesagt.
Das unterstützt man dann noch mit ein paar strategisch gelegten 'Drohungen', die nicht unmittelbar als solche erkennbar sind, wie mit 'es geht nur gemeinsam' (d.h. wenn sich die, die diese Anliegen haben, nicht ein- bzw. sogar unterordnen, dann spielen die bestehenden Machtstrukturen nicht mit und schmeißen der neuen Struktur Prügel in den Weg); und ein paar ebenso strategisch gelegten Unterstellungen, dass die, die anderer Ansicht sind, das nur aus Böswilligkeit oder Voreingenommenheit gegen die bestehenden Strukturen oder sonstigen unlauteren, niedrigen Motiven sind; verbunden mit netten Angeboten, dass diese sich doch mehr in die bestehenden Machtstrukturen integrieren und 'mitarbeiten' könnten; und hofft, dass damit der Spuk auch bald wieder vorbei ist. Wenn alle schön eingebunden sind, dann werden sich alle letztendlich in die ihnen zugedachten Rollen finden und den Status Quo wieder akzeptieren. Rethorisch und politisch alles sehr geschickt; aber nicht als konstruktiver Beitrag zur Verbesserung, sondern als Sabotage von Veränderungen gedacht.
Ich kann es nur noch einmal betonen, jeder kann nach den Regeln der Demokratie und eines Verbandes sich einbringen oder jeder kann selbst einen Verband gründen, der dann aber auch die Arbeit machen und nicht nur über den besten Weg philosophieren sollte. Do it.
Genau das wollen die meisten hier auch: es tun. Wie das genau geht, ist eigentlich den Meisten hier, inklusive mir, letztendlich weitgehend egal, so lange es in einer Form geschieht, die auch eine Aussicht darauf hat, den erwünschten Erfolg zu erzielen.
Sie können sich gerne an der Organisation der Verbandstagungen, die einen Vorlauf von 3 Jahren haben, beteiligen. Sie könne gerne als Delegierter bei der Lobbyarbeit oder in den Redaktionen helfen. Gehen Sie in die Ministerien. Suchen Sie Sponsoren. Reden Sie mit den Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern, den Rektoren, den Ministerialdirigenten, den Landräten. Machen Sie Medienarbeit. Heizen Sie ein.
Danke, alles davon oder wenigstens Vergleichbares mache ich, und viele andere hier auch. Unter anderen verwenden viele von uns hier ihre spärliche Freizeit, um an möglichen Lösungen des fachinternen Qualitätssicherungsproblems in der Archäologie zu arbeiten, oft neben anderen Pflichten, die wir uns in unsere Freizeit ehrenamtlich aufgehalstz haben. Ich zum Beispiel habe seit Montag Urlaub und davon jeden Tag etwa 16 Stunden gearbeitet, großteils ehrenamtlich. Morgen fliege ich auf eigene Kosten nach Österreich, um übermorgen bei einer Fortbildungsveranstaltung für interessierte BürgerInnen diesen die österreichische Rechtslage zu Feldbegehungen nahe zu bringen und am Samstag vermutlich auch teilzunehmen.
Spätestens am Sonntag werde ich mich dann wieder ehrenamtlich der archäologischen Qualitätssicherung widmen, indem ich ein Denkmalamt zum zweiten Mal in ebenso vielen Jahren darauf aufmerksam mache, dass es in seinen offiziellen 'amtlichen' Richtlinien den Gesetzestext des Gesetzes, mit dessen Exekution es betraut ist, zwar ein wenig weniger als zuvor, aber immer noch sinnverzerrend Wortlautfalsch zitiert und daher entgegen einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur (zu der genau in diesem Fall ausschlaggebenden Rechtsfrage, die somit dogamtisch entschieden ist) gesetzlich erlaubte Handlungen ohne gesetzliche Grundlage einer behördlichen Bewilligungspflicht unterwirft und damit mehrere verfassungsgesetzlich garantierte Grundrechte aller StaatsbürgerInnen des betreffenden deutschsprachigen Staates (die eigentlich Jedermannsrechte sind und daher auch für ausländische StaatsbürgerInnen verfassungsgesetzlich garantiert sind) in absolut gesetzes- und dienstvorschriftswidriger Weise bricht. Ob ich deswegen auch gleich eine Strafanzeige bei der für solche Fälle zuständigen Staatsanwaltschaft einbringe, die nach einem absolut vernichtenden Bericht eines staatlichen Qualitätskontrollorgans ohnehin schon gegen verschiedene DenkmalpflegerInnen in dieser Behörde ermittelt, muss ich mir allerdings noch überlegen. Man will ja seine KollegInnen nicht eventuell mehrere Jahre hinter Gitter bringen, bloß weil sie seit Jahren verabsäumt haben, ordentliche innerfachliche Qualitätssicherung zu betreiben...
Und nein, das war jetzt - leider Gottes - kein fiktives Beispiel, und auch keine Unterstellung, sondern ist bittere Realität. Welche Folgen solche Qualitätssicherungsdebakel für die Archäologie und die archäologische Denkmalpflege in dem betroffenen Land haben werden, ist natürlich noch nicht absehbar, aber dass es positive Folgen haben wird, ist wohl leider nicht zu erwarten. Ganz im Gegenteil...
Liebe Grüße,
Ray
Prof. PD Mag.Dr. Raimund KARL FSA FSAScot MCIfA
Professor of Archaeology and Heritage
Prifysgol Bangor University
School of History and Archaeology
College Road
Bangor, Gwynedd LL57 2DG
United Kingdom
r.karl@bangor.ac.uk